Sie materialisierten im Transporterraum der Enterprise F. "Waren Sie schon einmal auf einem Schiff der Sovereign-Klasse, Captain?", fragte Picard im Plauderton, als sie von der Transporterplattform stiegen. "Nein, Sir. Bisher noch nicht. Ich habe mich jedoch eingehend über diese Baureihe informiert und werde mich zurecht finden." "Dessen bin ich mir gewiss. Dennoch dürfte die Enterprise Sie noch in mancher Hinsicht überraschen." Daran hatte Muldoon keinen Zweifel. Die Sovereign-Klasse, etwas kleiner als die Galaxy-Klasse, war sowohl im Offensiv- als auch im Defensiv-Bereich erheblich verbessert worden - mit anderen Worten, man hatte die Kampfkraft sowie die Effizienz der Schilde erhöht. War ein Schiff der Galaxy-Klasse noch ein für den Kampf gerüstetes Forschungsschiff gewesen, war ein Schiff der Sovereign-Klasse nun ein Schlachtschiff, mit dem man auch Forschung betreiben konnte. Darüber hinaus zeichnete es sich durch bioneurale Gelpacks aus, durch Warpgondeln, die keine Störung im Subraum mehr verursachten, durch leistungsfähigere Sensoren und durch erheblich mehr Laboratorien als auf allen Schiffen der Föderation. Nicht zu vergessen die Captains-Yacht, die bei der Galaxy-Klasse lediglich über Sublichtaggregate, bei der Sovereign-Klasse jedoch über einen Warpantrieb verfügte und deren Bewaffnung erheblich verbessert worden war. Mit anderen Worten, die Enterprise F war momentan ultimative Waffe und Verteidigung in einem. Etwas besseres gab es in der Föderation zurzeit nicht. Und darum war Muldoon sich der Ehre, gerade dieses Schiff nun befehligen zu dürfen, durchaus bewusst. Er folgte Picard aus dem Transporterraum hinaus zum Turbolift und fuhr mit ihm erst einmal aufs Deck 16 hinunter, wo sich der Maschinenraum befand. "Wie Sie sicher wissen", begann der Rear Admiral zu erläutern, während sie auf den Warpreaktor zuschlenderten, "ist dieses Schiff in der Lage, mit einer Maximalgeschwindigkeit von Warp 9,95 zu fliegen. Es ist jedoch nicht empfehlenswert, diese Geschwindigkeit auf längere Zeit beizubehalten. Nach meiner Erfahrung mit der Enterprise E sollte man die Grenze von zwei Stunden nicht überschreiten." Muldoon kannte diesen Erfahrungswert. "Ja, ich habe Ihren Bericht gelesen, den Sie nach dem Vorfall mit der Scimitar beim Oberkommando eingereicht haben." "Vorfall?" Picard schmunzelte trocken. "Nun, als 'Vorfall' würde ich die Angelegenheit nicht bezeichnen. Der Begriff würde ihr nicht gerecht werden." Muldoon erinnerte sich daran, dass Picard seinerzeit seinen zweiten Offizier Commander Data verloren hatte, den bis dahin einzigen Androiden der Sternenflotte. Er wusste ebenfalls, dass Picard in diesem Androiden mehr gesehen hatte als eine Maschine. Er bedauerte seine Wortwahl. "Es tut mir leid, Sir. Ich wollte in keiner Weise gefühllos erscheinen. Sie haben damals einen schweren Verlust..." "Schon gut, Captain." Picard klopfte ihm in beinahe kameradschaftlich anmutender Manier auf die Schulter. "Es gehört zu unserem Beruf, mit dem Tod umzugehen. Ich bin mir sicher, auch Sie haben bereits entsprechende Erfahrungen gemacht." Muldoon wusste instinktiv, dass Picard sich nicht nur sicher war, sondern sich seinerseits eingehend über seinen Nachfolger auf der Enterprise informiert hatte. Und die Verluste seiner Kameraden, besonders die, die er als Kommandant der USS Merrimac 2373 bei dem großen Borgangriff auf die Erde hatte hinnehmen müssen, waren alle detailliert in seiner Akte aufgeführt. "Das habe ich in der Tat, Sir", pflichtete er dem Rear Admiral bei. Picard nickte knapp. Sein Blick glitt daraufhin durch den Maschinenraum, in dem momentan nur wenige Männer und Frauen ihren Dienst taten. Unvermittelt wechselte er das Thema. "Ein Teil Ihrer neuen Crew ist noch nicht an Bord. Das trifft auf Ihren Chefingenieur ebenso zu wie auf Ihren Ersten Offizier, Ihren Doktor, Ihre Counselor, einige Wissenschaftler und diverse Crewmen. Morgen Abend sollte jedoch jeder an seinem Platz sein ... bis auf Ihre Nummer Eins, die Sie auf dem Weg in den Arachnoidea-Nebel auf Terra Nova abholen werden." Muldoon nickte ebenfalls. "Und die Missionsbefehle?" "Die erhalten Sie nach unserem Rundgang." Der Rear Admiral wandte sich von der Brüstung ab, die den Warpreaktor umgab und ging zum Turbolift zurück. Muldoon folgte ihm, und in einem einvernehmlichen Schweigen, das er nicht als unangenehm empfand, fuhren Sie zum Deck 11, wo sie sich die Stellarkartografie ansahen. Danach kam das Deck 7 mit der noch doktorlosen Krankenstation an die Reihe - wenn man von dem zurzeit deaktivierten MHN einmal absah - und danach die Brücke auf Deck 1. Ehe Muldoon diese betrat, zögerte er einen Moment. Nicht aus Unsicherheit, ganz sicher nicht. Vielmehr, weil er selbst das als einen der bedeutsamsten Schritte in seinem Leben erachtete. Das Kommando über das beste und bekannteste Schiff der Sternenflotte ... der gesamten Föderation! Er war im Begriff, die Brücke einer Legende zu betreten. Das konnte einem schon kurzzeitig den Atem rauben. Picard schien zu spüren, was in ihm vorging, denn er sah Muldoon mit wissendem Blick an und wartete darauf, dass der neue Captain der Enterprise als erster den Lift verließ. Muldoon war dem Rear Admiral für sein Taktgefühl dankbar. Er atmete tief durch und betrat dann seinen neuen Wirkungskreis. "Achtung! Captain auf der Brücke!" Die befehlende Stimme war eine weibliche und kam von der OPS. Im gleichen Moment erhoben sich alle sitzenden Offiziere und nahmen Haltung an. Muldoon nickte den Anwesenden knapp zu und fragte sich gleichzeitig, ob es nicht angemessener gewesen wäre, den Rear Admiral anzukündigen statt seiner Person. Aber zu diesem Zweck war Picard wohl erst einmal hinter ihm zurück geblieben. Hätte er als erster das Deck betreten, hätte man zweifellos ihn angekündigt und nicht Muldoon. Und Picard hatte es wohl als nicht angemessen erachtet, wenn der neue Captain in der Begrüßung übergangen worden wäre. Jetzt aber übernahm er das Wort. "Ich darf Ihnen Ihren neuen Kommandanten vorstellen - Captain Declan Muldoon. Captain, Ihr Chef der Sicherheit Lieutenant Commander Ian MacKinnon an der Taktischen Station , Ihr Einsatzoffizier Lieutenant Alexandra Nechayev an der OPS, Fähnrich Beta an der Navigation und Lieutenant Junior Grade Coreena Groves an der Wissenschaftsstation." Muldoon beließ es nicht bei einem genickten Gruß, er zog es vor, seinem neuen Führungsstab persönlich die Hand zu schütteln. Mit Lieutenant Nechayev fing er an. "Lieutenant, schön, Sie kennenzulernen." "Captain ..." Alexandra Nechayev ... Muldoon wusste aus ihrer Akte, dass ihre Mutter die in der Flotte hochrangige Admiral Alynna Nechayev war, doch sprach er seine neue Einsatzoffizieren darauf nicht an. Es zählte für ihn nicht, welche verwandtschaftlichen Verhältnisse oder Beziehungen seine Offiziere mit sich brachten. Einzig das, was sie zu leisten vermochten, war für ihn wichtig. Danach bewertete er seine Leute. Der nächste, dem er die Hand schüttelte, war der Android Beta. Datas Vorgänger in der Baureihe, die Doktor Noonien Soong seinerzeit im Verborgenen konstruiert hatte und der nun, nach Datas Tod, dessen Platz als einziger Android in der Sternenflotte eingenommen hatte. Betas erster Einsatz nach Abschluss der Sternenflottenakademie. Was wohl diesbezüglich in dem außerordentlichen positronischen Gehirn vor sich ging? Ob er nervös war? Muldoon bezweifelte es. "Fähnrich ... ich hoffe auf eine gute Zusammenarbeit." "Darauf hoffe ich auch, Captain." Nach Beta begrüßte er Lieutenant Junior Grade Coreena Groves. Über sie hatte er nichts Bemerkenswertes gelesen. Vier Jahre Sternenflottenakademie, vier Jahre unspektakulärer Dienst auf der USS Schweitzer, einem Hospitalschiff und Schwesternschiff der vor Jahren zerstörten USS Pasteur. Für sie musste es wahrhaft aufregend sein, nun zur Crew des Flaggschiffs der Sternenflotte zu gehören, und Muldoon zweifelte keinen Augenblick daran, dass sie im Gegensatz zu Beta sehr nervös war. Der letzte, dem er die Hand gab, war MacKinnon, sein neuer Sicherheitschef. Natürlich war Muldoon auch über ihn bestens informiert. Er galt als zuverlässig und effektiv in seinem Job, aber auch als Hitzkopf, den man ab und an zügeln musste. Dennoch, Captain Braeburn von der USS Venture hatte nur ungern seinem Versetzungsantrag entsprochen. Das war für Muldoon alles, was er über MacKinnon wissen musste. "Commander ... ich hoffe, dass Sie Ihren Wechsel auf die Enterprise nicht bereuen werden. Die Venture ist ein ganz ausgezeichnetes Schiff ihr Kommandant ein hervorragender Captain."
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