Violette Lichter zuckten wie Blitze durchs Halbdunkel, im Rhythmus des hämmernden, monotonen Bass-Drums, der meinen Schädel gleich zum Platzen bringen würde. Wie ich diesen Rave-Scheiß hasste! Mit konstant schlechter werdender Laune beobachtete ich das Geschehen um mich herum, das immer bunter wurde, je weiter der Abend vorrückte. Junge, schöne Menschen in teuren Klamotten tanzten lasziv zum überlauten Krach, den der DJ produzierte und erweckten den Eindruck eines zum Leben erweckten, stylischen Videoclips. Hätte ich mich nicht aus "beruflichen" Gründen in diesem abgehobenen Schuppen aufgehalten, ich hätte mich nirgendwo mehr fehl am Platz gefühlt als hier. Doch ich hatte eine Aufgabe, und wegen dieser war ich genau am richtigen Platz. Ich fühlte sie, die prüfenden Blicke, die mich immer wieder musterten. Hin und wieder sah ich sie auch ... irrisierend glühende Augen, die mich bis aufs Mark zu sezieren versuchten, es aber nicht schafften, in mein Innerstes zu sehen, da ich es ihnen nicht gestattete. An diesem Abend interessierten sie mich nicht. Nicht die, die sich hier unten im Club tummelten. Sie waren gefährlich, ganz ohne Zweifel. Allein schon ihre Anzahl war ein Risiko. Sollten sie inzwischen herausgefunden haben, wer ich war, würde ich hier lebend wohl nicht mehr herauskommen. Doch Risiko gehörte zum Spiel. So war es seit jeher gewesen. Außerdem galt es, die Königin des Bienenstocks zu erwischen. Oder den König, auch wenn es einen solchen bei Bienen eigentlich nicht gab - aber Vampire hatten sich sowieso noch nie an die Gesetze der Natur gehalten. Erst einmal die Spitze ausschalten. Die Arbeiterinnen und Drohnen konnte ich mir später immer noch holen, eine nach der anderen. Jetzt, da ich wusste, wo sie sich trafen. Ich nippte also erneut an meinem Bier, dann kramte ich nach meinen Zigaretten. Die Packung, die ich zu Tage förderte, war leer - Mist! "Einmal Benson & Hedges! - BENSON & HEDGES!!!", rief ich der Barfrau über den Krach hinweg zu und deutete dabei helfend auf die Zigarettenbatterie im Regal hinter ihr. Sie nickte und reichte mir ein Päckchen. Ich riss es auf, warf die Plastikfolie in den Ascher vor mir, was mir prompt einen strafenden Blick der Bardame einbrachte, dann zündete ich mir eine Zigarette an und ließ meinen Blick erneut durch den Club schweifen. Wie so häufig in den letzten beiden Stunden verweilte er länger am Durchgang zum hinteren Teil des Clubs - dem Teil, an dem mich die beiden Kanten tagszuvor barsch abgewiesen hatten - und blieb schließlich zum ich weiß nicht wie vielten Mal an dem schwarzen, uneinsehbaren Glaskasten über der Treppe hängen. Der Höhle des Löwen, um einen weiteren Vergleich aus der Tierwelt heranzuziehen. Nichts hatte sich dort gerührt, seit Cole und ich den Club betreten hatten. Niemand war hineingegangen, niemand herausgekommen, und ich begann mich langsam zu fragen, wie wir weiter vorgehen sollten. Ich hatte keinen Plan - den hatte ich nie, und das war auch gut so, denn ich war absolut Scheiße im Pläne schmieden und nur erfolgreich, wenn ich mich auf meine Intuition verließ. Ob Cole einen hatte, wusste ich nicht, aber ich bezweifelte es, denn erstens war mir schleierhaft, wie der hätte aussehen sollen - einfach hinaufgehen und die Tür eintreten wäre vermutlich sogar für die CIA zu plump - und zweitens tat auch sie seit zwei Stunden nichts weiter als hier herumstehen, aufdringlichen Typen Körbe geben und beobachten. 'Wie die beiden Alten aus der Muppet-Show', fuhr es mir sarkastisch durch den Kopf. Fehlten nur noch unsere blöden Kommentare. Ich beschloss, meiner neuen "Partnerin" mitzuteilen, dass wir, sobald der Club schließen würde, draußen Beobachtungsposten beziehen sollten ... in der Hoffnung, dass der Obermacker den Laden mal verlassen würde. Zwar wussten wir nicht, wie er aussieht, aber ich verließ mich da auf meinen Instinkt. Typen, die sich für wichtig hielten, sah man das in der Regel auch an.
Doch ich kam nicht dazu, Cole meinen Vorschlag zu unterbreiten. Denn in diesem Augenblick sah ich sie, und die Welt stand für einen Moment still für mich. "Mary ...", flüsterte ich, meinen Blick so starr auf die Frau gerichtet, die in diesem Moment die Treppe hinabschwebte, dass meine Augen zu brennen begannen. Oder brannten sie wegen dem Sturm an Gefühlen, der mich unvorbereitet traf? Es konnte nicht sein. Sie war tot! Tot!! Und doch wusste ich mit einer Gewissheit, die noch mehr schmerzte als das unvorhergesehene Wiedersehen, dass sie es nicht war. Die eine Sekunde, in der ihr Blick meinen getroffen hatte, hatte ich erkannt, was sie war: ein Vampir! Der Club begann sich um mich zu drehen, und mir wurde schlecht. "Ich muss hier raus", keuchte ich in niemandes Richtung und stieß mich förmlich von der Bar ab. Wie ein Betrunkener taumelte ich durch die Menge hindurch in Richtung Ausgang, und die im violetten Licht zuckenden Gesichter vor mir verwandelten sich in höhnische Fratzen.
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