Es war ein langer Flug gewesen. Über zwölf Stunden in diesem verdammten Vogel hatten meine Laune in den Keller sinken lassen. Daran hatten weder der relative Komfort der ersten Klasse noch das süße Blut der hübschen Stewardess etwas ändern können, die ich mir nach der Landung gegönnt hatte. Und jetzt auch noch Paris! Scheißwetter, ein lauter, übervoller Flughafen und schlecht gelaunte Kontrolleure, die man beeinflussen musste, damit sie einen nicht filzten. Wieso hatte der Kerl mit dem albernen Schnäuzer gerade mich aus der Reihe gewinkt? Weil ich die weite Reise nur mit einem Rucksack unternommen hatte statt mit Koffer, Boardcase und Anzugtasche? Das war wohl verdächtig. Machte mich zum potenziellen Bombenleger. Aber ein Vampir brauchte eben nicht viel zum Leben. Einen gültigen Ausweis, eine Rolle Menthos für einen guten Atem, das war's auch schon. Genau genommen hätte ich auch auf den Rucksack verzichten können, aber ich hatte nicht vor, die nächsten Tage in der gleichen Unterhose herumzulaufen. Auch wenn ich auf den ersten Blick vielleicht nicht so aussah, aber ich stand ziemlich auf Körperhygiene. Ah ja, mein Aussehen. Das war's vermutlich, was mich verdächtig wirken ließ. Mein Fünftagebart und der Umstand, dass ich in verschlissenen Jeans, einem einfachen weißen T-Shirt und einer auch nicht gerade neu wirkenden kurzen Jeansjacke steckte. Und dann meine Schuhe ... Converse, schwarzweiß, ausgetreten. Und die Kette aus Leder, Perlen und Muscheln, die ich um den Hals trug ... tja, ich traf wohl nicht gerade den Geschmack der Modestadt. Meinen traf sie allerdings auch nicht. Ich mochte die Franzosen nicht, hatte ich noch nie. Obwohl ich ihre Sprache ebenso gut beherrschte wie meine Muttersprache Englisch und sie mich an meine Heimatstadt New Orleans erinnerte, aus der ich gerade kam. Französisch wurde dort an allen Ecken gesprochen. Doch damit hörten die Gemeinsamkeiten mit Frankreich im Allgemeinen und Paris im Speziellen auch schon auf. Die Franzosen waren in meinen Augen arrogante, nationalistische Froschfresser, deren Regierungssystem sich inzwischen - im fünften Anlauf - zwar demokratische Republik schimpfte, die sich aber insgeheim immer noch wünschten, von einem Napoleon regiert zu werden. Sie bildeten sich eine Menge ein: auf ihre Mode, auf ihr Essen, auf ihr Liebesleben. Dabei waren nur anorexische Bohnenstangen in der Lage, die französische Couture zu tragen, und das Essen füllte gerade mal einen hohlen Zahn, aber kaum einen hohlen Magen. Und was ihren Sex anging ... ich weiß nicht, wie viele Französinnen ich in meinem untoten Leben schon unter mir gehabt hatte, die nur deshalb ins heiße New Orleans gekommen waren, um sich dort mal so richtig durchvögeln zu lassen. Eben weil ihre feinen Männer es nicht brachten. Muss man noch mehr dazu sagen?
Nach der kleinen Gedankenmanipulation am Zoll beeilte ich mich, ein Taxi zu bekommen. Es war kalt draußen und es regnete in Strömen. Ich war froh, als ich im Inneren des alten Mercedes Platz nehmen konnte und der Fahrer den Wagen auch sogleich in Bewegung setzte. "Vous allez où? - Wohin soll's gehen?", fragte er mich knapp. Unsere Blicke begegneten sich im Rückspiegel - seiner fragend, meiner, wie ich mal vermute, gewohnt abweisend. "Hôtel Four Seasons George V. Le plus vite possible. - Hotel Four Seasons George V. So schnell wie möglich." Der Fahrer nickte knapp, dann verließ er den Aéroport Charles de Gaulle und steuerte auf Paris zu. Schweigend. Sein Glück.
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